Das Jahr 2021 beginnt mit dem Inkrafttreten eines neuen Straftatbestandes im Sexualstrafrecht – denn was wäre ein Jahr ohne die Ausweitung oder Verschärfung des Strafrechts. Die Rede ist von dem neu in das Strafgesetzbuch (StGB) eingeführten § 184k, der die Überschrift „Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen“ trägt und die als „Upskirting“ und „Downblousing“ bezeichneten Phänomene unter Strafe stellt.
Was mit „Upskirting“ und „Downblousing“ gemeint ist
Den Fall, den der Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestandes vordergründig Blick hatte, ist das heimliche Fotografieren unter den Rock von (meistens) Frauen, das sogenannte Upskirting.
Aber nicht nur das Fotografieren unter Röcke ist seit dem 1. Januar 2021 strafbar. § 184k StGB verbietet vielmehr jegliche unberechtigte Aufnahme von Genitalien und Gesäß einer anderen Person, egal welchen Geschlechts. Auch das Fotografieren in den Ausschnitt einer Person, das sogenannte Downblousing, ist nun strafbar, sofern die „weibliche“ Brust abgebildet wird.
Da die meisten Menschen Unterwäsche tragen, hat der Gesetzgeber auch Aufnahmen von Unterwäsche, die die soeben aufgezählten Körperteile verdecken sollen, kriminalisiert. Wer sich der Welt hingegen freiwillig in Unterwäsche präsentiert, soll nicht geschützt sein.
Neben der Anfertigung solcher Aufnahmen ist auch ihre Übertragung, ihr Gebrauch und das Zugänglichmachen an dritte Personen strafbar. Vorausgesetzt wird allen strafbaren Verhaltensweisen, dass sie unberechtigt, also ohne die vorherige Einwilligung der betroffenen Person erfolgen müssen.
Welches Verhalten konkret strafbar ist
184k StGB lautet wie folgt:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,
2. eine durch eine Tat nach Nummer 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
3. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in der Nummer 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.
(4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.
Probleme aus Sicht der Verteidigung
§ 184k StGB bringt neben den üblicherweise bei neuen Tatbeständen auftretenden Problemen, dass Begriffe – wie etwa die „weibliche Brust“ – durch die Rechtsprechung ausgelegt werden müssen, auch eine Reihe von prozessualen Besonderheiten mit sich, die vor allem für die Beschuldigten belastend sind.
Strafverfolgung ohne Antrag der geschädigten Person
Zunächst handelt es sich bei dem neuen Tatbestand um ein relatives Antragsdelikt. Das bedeutet, dass der Vorwurf auf Antrag von der fotografierten Person oder aufgrund eines besonderen öffentlichen Interesses, welches die Staatsanwaltschaft annimmt, verfolgt wird.
Wann ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Zwar gibt es Kriterien, wie einschlägige Vorstrafen oder Verletzungsfolgen. Die Staatsanwaltschaft hat dennoch einen weiten Spielraum. Nimmt sie ein besonderes öffentliches Interesse an, ist dies nicht angreifbar. Selbst wenn also die geschädigte Person kein Interesse an einer Strafverfolgung hat, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren vor Gericht bringen.
Zulassung der Nebenklage
Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber das Delikt in den Katalog des § 395 Abs. 1 Nr. 1 StPO aufgenommen hat. Vermeintliche Opfer eines Upskirting- oder Downblousing-Deliktes können damit als Nebenklagende im Strafverfahren auftreten. Dadurch werden zivilrechtliche Ansprüche wie Ansprüche auf Schmerzensgeld in das Strafverfahren verlagert und der Fokus der Hauptverhandlung auf die geschädigte Person, die in der Regel auch anwaltlich vertreten sein wird, gelegt.
Verortung im Sexualstrafrecht
Nicht unterschätzt werden darf, mit welcher Stigmatisierung ein Strafverfahren wegen eines Sexualdeliktes verbunden ist. Es wäre daher besser gewesen, den Tatbestand – wenn überhaupt- in den Bereich des 15. Abschnittes des StGB, der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs zu verlagern. Ob es überhaupt empirisch notwendig war, die Phänomene von Upskirting und Downblousing zu kriminalisieren, ist noch eine ganz andere Frage. Denn unerwünschtes Verhalten mit Hilfe des Strafrechts zu sanktionieren, sollte immer noch das letzte Mittel sein.
Rechtsanwältin Vanessa Gölzer, Strafverteidigerin aus Berlin