Wer regelmäßig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, kennt diese Situation: Man sitzt in der Bahn, es werden Fahrscheine kontrolliert und plötzlich stellt man fest, dass das Monatsticket zuhause liegt. Ärgerlich, aber nicht strafbar, wie auch das Bayerische Oberlandesgericht in einem Beschluss vom 27. Mai 2020 – 205 St RR 2332/19 betont hat.
Fahren ohne Fahrschein strafbar
Grundsätzlich ist die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ohne einen gültigen Fahrausweis strafbar. Auch in dem Verfahren vor dem Bayerischen Oberlandesgericht (OLG) ging es darum, dass der Angeklagte in drei Fällen mit Verkehrsmitteln der Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) gefahren waren, ohne einen Fahrausweis vorzeigen zu können. Er hatte sich zwar eine personalisierte Zeitkarte gekauft, hatte diese bei den Kontrollen aber nicht bei sich. Das Amtsgericht München verurteilte ihn daraufhin wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 20 Tagessätze zu je 30 €. Gegen das Urteil ging der Angeklagte mit der Revision vor, die Erfolg hatte. Er wurde von dem OLG freigesprochen.
Freispruch durch das Bayerische Oberlandesgericht
Zur Begründung des freisprechenden Urteils stellte das OLG darauf ab, dass beim Vergessen einer Zeitkarte kein Vermögensschaden beim Verkehrsunternehmen eintritt. Das wäre aber Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Beförderungserschleichung nach § 265a StGB.
Kein Vermögensschaden beim Vergessen der Zeitkarte
Nach § 265a StGB macht sich wegen Beförderungserschleichung strafbar, wer die Leistung eines Verkehrsmittels erschleicht in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten. Die in Anspruch genommene Leistung muss tatsächlich nicht bezahlt worden sein, obwohl das Transportunternehmen seine Leitung erbracht hat. In der unentgeltlichen Beförderung ist der Vermögensschaden zu sehen.
An dem Vermögensschaden fehlt es nach Ansicht des OLG, wenn die Fahrt durch eine von dem Fahrgast erworbene Zeitkarte abgedeckt wird. Das gelte auch dann, wenn der Fahrgast es bei der Fahrt entgegen der Vertragsbedingungen unterlässt, die Zeitkarte bei sich zu führen oder einen neuen, zusätzlichen Fahrschein zu erwerben. Denn die Vertragsbedingungen haben nach den Ausführungen des OLG keinen Einfluss auf den strafrechtlichen Vermögensbegriff.
Übertragbarkeit des Fahrscheins führt nicht zu Strafbarkeitt
Dass eine Fahrkarte übertragbar ist und auch von anderen Personen genutzt werden kann, begründet nach Ansicht des OLG grundsätzlich keinen Vermögensschaden. Erst wenn positiv feststeht, dass das Monatsticket während der Fahrkartenkontrolle von einer anderen Person als ihrem eigentlichen Inhaber genutzt wird, will das OLG einen Vermögensschaden annehmen. In dem zu verhandelnden Fall konnte ein derartiger Missbrauch des Fahrausweises aber nicht festgestellt werden. Allein die abstrakte Möglichkeit der Parallelnutzung reichte dem OLG nicht aus.
Auch in Berlin wird das Vergessen einer Zeitkarte nicht als Beförderungserschleichung eingestuft, wenn man das Ticket innerhalb einer bestimmten Frist bei den Berliner Verkehrsbetrieben vorlegen kann.
Rechtsanwältin Vanessa Gölzer, Strafverteidigerin aus Berlin