Bewährungszeit abgelaufen? Warum die Sache mit dem Ende der Bewährung noch nicht erledigt ist

Wer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, darf innerhalb der Bewährungszeit keine weiteren Straftaten begehen. Passiert dies doch, kann die Bewährung widerrufen werden. Dann muss die Strafe im Gefängnis abgesessen werden. Kein Wunder also, dass Verurteilte auf den Ablauf der Bewährungszeit hin fiebern. Doch Vorsicht – der Ablauf der Bewährungszeit heißt nicht, dass die Sache erledigt ist.

Förmlicher Erlass der Strafe erforderlich

Die Bewährungsstrafe muss vielmehr noch vom Gericht förmlich erlassen werden. Werden nach dem eigentlichen Ablauf der Bewährungszeit aber vor dem offiziellen Erlass weitere Straftaten begangen, kann dies problematisch werden.

Behandlung von neuen Straftaten vor dem Erlass

Dass Gerichte die Begehung weiterer Straftaten vor dem Erlass der Bewährung als strafschärfend werten, zeigt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.03.2023 – 2 StR 118/22. Der Bundesgerichtshof monierte hier das Landgericht Bonn. Dieses hatte zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Taten nach dem Ablauf der Bewährungszeit aber vor dem Erlass der Strafe begangen hatte. Der Bundesgerichtshof hielt dies für falsch.

Straftat vor dem Erlass darf nicht wie Straftat in der Bewährung behandelt werden

Die Gleichsetzung von Straften innerhalb der Bewährungsfrist und solchen, die zwischen dem Ablauf der Frist und vor dem Straferlass begangen werden, findet im Gesetz keine Stütze, wie der Bundesgerichtshof zu Recht betont. Einer neuen Straftat vor Straferlass würde daher keine generell straferhöhende Bedeutung zukommen. Allein die Dauer der Bewährungszeit bildet nach zu begrüßender Ansicht des Bundesgerichtshofes die Grundlage für die Erwartungshaltung des Staates an den Angeklagten, keine Straftaten mehr zu begehen.

Verurteilte wissen oft nichts von dem Erlass

Aus meiner Praxis weiß ich, dass den meisten Verurteilten nicht klar ist, dass die Bewährungsstrafe noch offiziell erlassen werden muss. Wann dies geschieht, kann man Mandanten auch nicht sagen, denn der Straferlass ist, wie auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil erwähnt, nur von organisatorischen Zufälligkeiten abhängig. Diese können weder der Verurteilte noch ich als Verteidigerin beeinflussen.

Strafverteidigerin Vanessa Gölzer, Fachanwältin für Strafrecht

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