Unterlagen, die man als Beschuldigter zur Verteidigung im Strafverfahren anfertigt, dürfen von den Ermittlungsbehörden nicht beschlagnahmt werden. Gleiches gilt für die Kommunikation mit dem Verteidiger. Verteidigungsunterlagen sind geheim. Dass dieser Grundsatz beachtet wird, ist vor allem für inhaftierte Beschuldigte wichtig. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Unterlagen nicht gelesen und an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Dass der Schutz von Verteidigungsunterlagen bei den Haftanstalten und Staatsanwaltschaften nicht immer an erster Stelle steht, zeigt eine aktuelle Entscheidung.
Grundsatz – Verteidigungsunterlagen sind geheim
Unterlagen, die für die Verteidigung bestimmt sind, sind geheim. Sie dürfen nicht beschlagnahmt werden. Um das erkennbar zu machen, sollten solche Unterlagen immer als „Verteidigungsunterlagen“ gekennzeichnet werden. Sie dürfen dann nicht von der Haftanstalt, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht beschlagnahmt und angeschaut werden.
Ausnahme bei Verdacht auf Missbrauch der Verteidigungsunterlagen
Diese Regel gilt nur im Grundsatz. Denn besteht der Verdacht, dass sich bei den Verteidigungsunterlagen Schriftstücke oder Gegenstände befinden, die dort nicht hingehören, dürfen die Unterlagen gesichtet und ggf. beschlagnahmt werden.
Sichtungen durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht möglich
Es kann also passieren, dass Verteidigungsunterlagen in Einzelfällen vor Ort durchgesehen oder sogar mit einer Durchsuchung sichergestellt werden, um zu prüfen, ob es sich tatsächlich um Verteidigungsunterlagen handelt. Vorzugswürdig ist aber immer die mildere Maßnahme – die kurze Durchsicht vor Ort, bestenfalls in Anwesenheit des Verteidigers. Die Sicherstellung darf nur in Ausnahmefällen erfolgen, wie das Amtsgericht Köln in einem Beschluss vom 1.9.2023 – 503 Gs 1514/23 entschieden hat.
Weniger als 30 Seiten sind vor Ort zu sichten
Hier war es so, dass mit einem Durchsuchungsbeschluss ein Konvolut von 27 Seiten bei der Angeklagten sichergestellt wurden. Dagegen ging diese erfolgreich in die Beschwerde. Das Amtsgericht entschied, dass Verteidigungsunterlagen nur sichergestellt werden dürfen, wenn sie umfangreich sind. Können sie aber vor Ort in Gegenwart der Verteidigerin mit vertretbarem Zeitaufwand durchgeschaut werden, dürfen sie nicht sichergestellt werden. Bei 27 Seiten hätte eine Durchsicht vor Ort erfolgen müssen. Eine Sicherstellung wäre nur bei einer größeren Menge an Unterlagen erforderlich gewesen.
Selbst betroffen?
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Verteidigungsunterlagen gesichtet oder gar beschlagnahmt wurden, wehren Sie sich gegen dieses Vorgehen. Der Schutz der Verteidigungsunterlagen ist ein hohes Gut. Er ist unerlässlich für eine effektive Verteidigung und darf nicht umgangen werden.
Rechtsanwältin Vanessa Gölzer, Fachanwältin für Strafrecht