Polizei gefilmt – monatelange Beschlagnahme eines Handys ist unverhältnismäßig

Immer wieder werden polizeiliche Maßnahmen gefilmt. Ob das Filmen der Polizei strafbar ist, war schon oft Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) musste sich kürzlich mit dem Thema beschäftigen. Hier ging es um die monatelange Beschlagnahme eines Handys.

Darum geht es: Beschlagnahme des Handys nach Filmen der Polizei

Ist es strafbar, eine polizeiliche Kontrolle mit dem Handy zu filmen? Und darf die Polizei mein Smartphone deswegen wochen- oder monatelang beschlagnahmen?

Diese Fragen hat das BVerfG in einer aktuellen Entscheidung beleuchtet (BVerfG vom 09.07.2025, Az. 1 BvR 975/25). Es ging vor allem darum, unter welchen Voraussetzungen die Beschlagnahme eines Handys unverhältnismäßig sein kann.

Die Kernbotschaft des BVerfG: Eine über Monate andauernde Beschlagnahme eines Handys ist oft unverhältnismäßig, wenn nur der Verdacht einer vergleichsweise geringfügigen Straftat wie dem unbefugten Filmen besteht.

Der Fall: Filmen als Reaktion auf eine „schikanöse“ Kontrolle

Was war passiert? Eine Autofahrerin filmte eine Verkehrskontrolle, weil sie diese als schikanös empfand. Einer der Beamten hatte seine Bodycam aktiviert, woraufhin die Frau ebenfalls ihr Smartphone, ein hochwertiges iPhone 16, zückte und filmte.

Die Polizei sah darin einen Verstoß gegen § 201 Strafgesetzbuch (StGB) – die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Sie leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Das Handy wurde daraufhin auf richterliche Anordnung hin beschlagnahmt.

Die Frau wehrte sich gegen die Beschlagnahme. Sie trug vor, dass das Smartphone für ihre persönliche Lebensführung unverzichtbar sei und die Beschlagnahme über mehrere Monate dauerte. Sie war sogar bereit, die PIN herauszugeben. Landgericht und Amtsgericht sahen das anders und bestätigten die Beschlagnahme.

Die Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG hat die Beschwerde der Frau zwar aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen, inhaltlich aber deutliche verfassungsrechtliche Zweifel an der langen Beschlagnahme geäußert.

1. Die Bedeutung des Smartphones: Mehr als nur ein Telefon

Das Gericht betont, dass moderne Smartphones für uns heute eine unverzichtbare Bedeutung für das alltägliche Leben haben. Sie sind nicht nur Kommunikationsmittel, sondern enthalten unser gesamtes Privatleben (Fotos, Mails, Kontakte, Bank-Apps, Cloud-Zugänge etc.).

Die Beschlagnahme eines Handys über Monate hinweg ist ein massiver Eingriff in gleich zwei Grundrechte:

  • Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Schutz der persönlichen Daten).
  • Das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG).

Das BVerfG nennt die lange Beschlagnahme sogar eine „faktische Sanktionierung“ – eine Art Strafe, die bereits im Ermittlungsverfahren verhängt wird, obwohl noch gar keine Verurteilung vorliegt.

2. Filmen der Polizei: Oft zulässig und wichtig!

Das Gericht stellt klar, dass es bereits zweifelhaft ist, ob das Filmen von Polizeimaßnahmen im öffentlichen Raum überhaupt strafbar ist – vor allem, wenn die Polizei selbst eine Bodycam trägt und das Geschehen filmt.

Außerdem dürfen polizeiliche Maßnahmen nach Ansicht des BVerfG nicht dazu führen, dass Bürger aus Angst vor Konsequenzen zulässige Aufnahmen unterlassen. Das Filmen kann ein wichtiges Mittel zur Kritik an staatlichem Handeln und zur Beweissicherung sein.

3. Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben

Hier liegt der Schlüssel zur Kritik des BVerfG an der langen Beschlagnahme:

  • Geringes staatliches Interesse: Selbst wenn man ein strafbares Verhalten der Frau annehmen würde, wäre die mögliche Strafe für das Filmen vergleichsweise gering. Der Tatbestand des § 201 StGB sieht nur geringe Strafen vor und die Beschuldigte war nicht vorbestraft.
  • Hohe Beweiskraft bereits vorhanden: Liegen – wie in diesem Fall – bereits Zeugenaussagen und das Video der polizeilichen Bodycam vor, hat das beschlagnahmte Handy-Video nur noch geringe Beweisbedeutung.
  • Kooperationsbereitschaft: Wenn Beschuldigte wie hier die PIN herausgeben, ist eine unverzügliche Auswertung des Handys möglich. Das betroffene Video kann schnell gefunden und gespiegelt werden.

Fazit des Gerichts: In solchen Fällen ist eine monatelange Beschlagnahme nicht nötig. Es reicht, das relevante Video zu sichern und das Smartphone schnellstmöglich an den Betroffenen zurückzugeben.

Was bedeutet das für Beschuldigte und Betroffene?

Als potenziell Beschuldigte oder Betroffene einer polizeilichen Maßnahme sollten Sie Folgendes wissen:

1. Ruhig bleiben und keinen Widerstand leisten

Auch wenn Sie die Kontrolle als ungerecht empfinden: Leisten Sie keinen Widerstand. Handgreiflichkeiten führen fast immer zu einem Ermittlungsverfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, was Ihre Situation massiv verschlechtert und die Beschlagnahme leichter rechtfertigt.

2. Filmen ja, aber richtig

Das Filmen von Amtshandlungen im öffentlichen Raum ist in der Regel zulässig. Es dient Ihrer eigenen Beweissicherung.

  • Achtung: Vermeiden Sie Aufnahmen, bei denen Sie das „Wort“ von Polizisten aufzeichnen, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist (z.B. ein leises Gespräch unter Kollegen). Filmen Sie offen und sichtbar, was im öffentlichen Raum passiert.
  • Keine Einmischung: Das Filmen darf die polizeiliche Maßnahme nicht behindern!

3. Im Falle einer Beschlagnahme: Sofort anwaltlichen Rat einholen

Wird Ihr Handy beschlagnahmt, achten Sie auf folgende Dinge:

  • Keine PIN herausgeben (ohne anwaltlichen Rat)! Sie sind nicht verpflichtet, die PIN zu nennen. Sprechen Sie erst mit einem Anwalt und koordinieren Sie die Herausgabe der PIN über Ihren Anwalt.
  • Bestehen Sie auf Verhältnismäßigkeit: Wenn Ihr Handy beschlagnahmt wird, lassen Sie diese Beschlagnahme anwaltlich überprüfen. Ihr Anwalt wird sich gegebenenfalls auf diese BVerfG-Entscheidung berufen: Das Handy ist unverzichtbar, die vorgeworfene Tat ist leicht, eine schnelle Auswertung ist möglich.
  • Rechtsmittel einlegen: Gegen eine richterliche Beschlagnahmeanordnung ist die Beschwerde möglich.

Fazit

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist wichtig für die Grundrechte und die Kontrolle staatlichen Handelns. Sie stärkt die Rechte von Beschuldigten, indem sie die Hürden für eine monatelange Beschlagnahme des Handys als ein wichtiger Bestandteil unseres digitalen Lebens erhöht.

Sind auch Sie beschuldigt?

Wenn Sie mit dem Vorwurf des unbefugten Filmens konfrontiert werden oder Ihr Smartphone beschlagnahmt wurde, zögern Sie nicht, mich sofort zu kontaktieren. Als Ihre Strafverteidigerin werde ich prüfen, ob die Beschlagnahme rechtmäßig und unverhältnismäßig ist, und schnellstmöglich auf eine Herausgabe hinwirken.

kontakt@rechtsanwaeltin-goelzer.de

030 / 25 78 51 11

Thomasiusstraße 1
10557 Berlin